Medizinrecht – Arzneimittelrecht

Arzneimittelgesetz & Europäische Richtline

Das deutsche Recht ist voller Definitionen. Das ärgert zwar schon ganze Generationen von Jurastudenten, ist aber notwendig um die Reichweite einzelner Vorschriften oder ganzer Gesetze zu definieren und zu begrenzen. Nur wenige Definitionen bereiten allerdings so viele Probleme in der Praxis wie der Begriff des Arzneimittels. Er ist zwar im Rahmen der europäischen Arzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG sowie im deutschen Arzneimittelgesetz (dort: § 2 AMG) definiert, aber aufgrund der vielen verwandten Produktgruppen ist die Abgrenzung im Einzelfall doch sehr schwierig. Dabei hat die Einstufung eines Produkts in eine Produktkategorie aber erhebliche Konsequenzen für das Rechtsregime, dem es unterworfen ist. Arzneimittel sind dem AMG unterworfen, Medizinprodukte dem MPG (Medizinproduktegesetz) sowie den dazugehörigen Verordnungen, Lebensmittel dem LFBG (Lebensmittel – Futter – und Bedarfsgegenständegesetz).

 

Funktionsarzneimittel

In § 2 Abs.1 AMG sind die sogenannten „Funktionsarzneimittel“ definiert. Dabei handelt es sich um „Stoffe oder Zubereitungen“, die in den menschlichen oder tierischen Körper eingebracht werden und dort heilsame Wirkungen hervorrufen.

 

Präsentationsarzneimittel

In § 2 Abs.2 AMG sind die sogenannten „Präsentationarzneimittel“ geregelt. Im Gegensatz zu den“Funktionsarzneimitteln“ kommt es hier für die Einordnung gar nicht auf die tatsächliche Wirksamkeit an. Vielmehr sind darunter Produkte zu verstehen, die durch ihre Bezeichnung oder Aufmachung (Werbung) beim durchschnittlich informierten Verbraucher den Eindruck erwecken, dass sie zur Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind.
Diese Produkte wurden aus Verbraucherschutzgründen in den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes aufgenommen. Sie zwingt die Hersteller zur Einhaltung der Vorgaben des Arzneimittelgesetzes.

 

Überschneidungsprobleme

Nachdem § 2 Abs.1 und 2 AMG regeln, was Arzneimittel sind (§ 2 Abs. 1 AMG ) und was als Arzneimittel gilt (§ 2 Abs.2  AMG)  nennt  § 2 Abs. 3 AMG, was gerade nicht Arzneimittel ist.

Darunter fallen etwa Lebensmittel, Kosmetik,Tabak, sowie Medizinprodukte. Ich will hier nur einige kurze Problembereiche anschneiden:

 

Lebensmittel

Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, weil auch Lebensmitteln eine gesundheitliche Wirkung zukommt. Probleme ergeben sich  insbesondere für die teilweise mit sehr hochtrabenden Wirkungsversprechen versehenen Lebensmittel:

Probiotika, Präbiotika, probiotisches Müsli oder Joguhrt: Ihr Darm läuft zur Höchstform auf

ACE – Getränke : fangen freie Radikale und beugen daher Krebs vor und wirken gleichsam als Anti Aging Mittel

Margarine mit Omega 3 und 6 Fettsäuren : Herz- Kreislaufprobleme sind kein Thema mehr

Erst recht problematisch sind Nahrungsergänzungsmittel, weil sie teilweise auch noch in arzneimitteltypischer Form (Tablette, kapseln,etc) daher kommen. Sind das Lebensmittel oder Arzneimittel ? Auch unsere Behörden sind verunsichert.

 

Aus der Praxis:

In einem hier bearbeiteten Fall hatte ein Mann ein Preisausschreiben im Internet gewonnen und bekam als  Hauptgewinn das Produkt „Supra Cleanse“ – welches der Darmreinigung dienen soll – gewonnen. Was er nicht wusste, war, dass das Produkt aus China importiert wurde. Das Hauptzollamt Darmstadt war sodann der Auffassung, es handele sich bei dem Produkt um ein Arzneimittel. Es erließ sodann einen Bußgeldbescheid wegen „Unerlaubter Einfuhr von Arzneimittel“. Schließlich gelang es, das Verfahren einstellen zu lassen. Dies unter Hinweis darauf, dass es sich schon nicht um ein Arzneimittel handelt und der Mandant ja nun kaum wissen konnte, dass das Produkt aus China importiert werde.

 

Medizinprodukte

Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zu Medizinprodukten liegen hier noch stärker auf der Hand. Sowohl Medizinprodukte als auch Arzneimittel  dienen bereits ihrer Zweckbestimmung nach der Linderung von (insbesondere körperlichen ) menschlichen Leiden. Wie daher das von der Rechtsprechung oft benutze Abgrenzungskriterium der „Zweckbestimmung“ des Produkts weiterhelfen soll liegt nicht so ganz auf der Hand. Insoweit wird dann auf die Hauptwirkungsweise des Produkts abgestellt. Ohne hier auf die Details eingehen zu wollen, stellt sich die Lage so dar, dass ein physikalisch wirkendes Produkt ein Medizinprodukt ist und ein solches, das pharmakologisch wirkt als Arzneimittel eingestuft wird. Freilich ergeben sich insbesondere Fragen bei der Verbindung von physikalischer mit pharmakologischer Wirkungsweise (Asthmaspray, Heparinspritze).

Um den Rahmen hier nicht zu sprengen soll hier nur zwei weitere Fragen gestellt werden:

  1. Ist ein Mittel gegen Hühneraugen eigentlich Kosmetik oder Arzneimittel ?
  2. Wie steht es eigentlich um „Cannabis“ ? ist es insbesondere nach neuesten gesetzgeberischen und gerichtlichen Entscheidungen eigentlich noch als Betäubungsmittel anzusehen oder müssen Dealer demnächst mit Srafverfahren wegen der „Abgabe von Arzneimitteln ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis zu sein“ (§§ 95 ff i.V.m. § 13 AMG) rechnen ?

Mehr dazu in einem der  nächsten Beiträge.

Björn Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Gießen

Fachanwalt für Medizinrecht, Frankfurter Straße 219, 35398 Gießen, Telefon: 0641 / 97 24 88 11, E-Mail: info@weil-rechtsanwalt.de