Medizinrecht / Heilpraktikerrecht

Eine Therapie zur Gewichtsabnahme mittels Vergabe von Spritzen zur subkutanen Injektion durch den Patienten stellt eine Heilbehandlung im Sinne des § 1 Heilpraktikergesetzes dar. Entsprechende Behandler sind zumindest analog an § 630c BGB gebunden. Ohne Aufklärung über die Inhaltsstoffe, Wirkungen und Nebenwirkungen der Injektion ist § 630c BGB verletzt. Die Vergabe von Spritzen zur subkutaner Injektion durch den Patienten ohne Aufklärung ist als Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft zu werten.

Übergibt ein Therapiezentrum einer übergewichtigen Frau Spritzen mit unbekanntem Inhalt zur Selbstverabreichung unter die Haut, ist der Vertrag des Zentrums mit der Patientin wegen eines Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz nichtig mit der Folge, dass daraus keine Vergütungsansprüche des Therapiezentrums erwachsen.

Amtsgericht Saarbrücken, Urteil vom 08.11.2017 – 121 C 478/17 (09)

Kommentar:  Die auf Zahlung gegen die Patientin klagende Gesellschaft verfügte über keine Heilpraktikererlaubnis. Sie vertrat die Auffassung, sie bedürfe einer solchen nicht, da es sich um ein Diätprogramm handele. Dem ist das Amtsgericht – überzeugend – entgegen getreten.

Der in § 1 Abs. 2 HPG definierte Begriff der „Ausübung der Heilkunde“ im Sinne des Heilpraktikergesetzes ist nach Auffassung des AG Saarbrücken dahin auszulegen, dass eine Ausübung der Heilkunde stets dann vorliegt, wenn die Tätigkeit ärztliche bzw. medizinische Fachkenntnisse erfordert und die Behandlung – bei generalisierender und typisierender Betrachtung der in Rede stehenden Tätigkeit – gesundheitliche Schädigungen verursachen kann. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit reicht aber ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht aus, um die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 HPG auszulösen. Das Gefährdungspotential wird zudem geringer, je weiter sich das Erscheinungsbild des Behandlers von einer medizinisch/ärztlichen Behandlung entfernt (OVG NRW, Beschluss v. 28.04.2006 – 13 A 2495/03 -; Schelling in Spickhoff, a.a.O., S. 825 m.w.N.). (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Februar 2012 – 4 U 197/11 –, Rn. 19, juris)

Da das „Therapiezentrum“ eine kurze Anamnese vorgenommen hatte und auch die Vergabe von Spritzen aber dem Erscheinungsbild einer ärztlichen Tätigkeit durchaus nahekommt war das Amtsgericht der zutreffenden Auffassung, dass es für die Tätigkeit des Unternehmens einer Heilpraktikererlaubnis bedurft hätte. Da eine solche nicht vorlag, entfiel konsequenterweise auch der Honoraranspruch. Das Urteil hat noch zwei weitere interessante Aspekte: Zunächst wertete es die Vergabe der Spritzen als Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft. Darüber hinaus hatte die Gesellschaft während des ganzen Verfahrens nicht bekannt gegeben, welchen Inhalt die Spritze hatte.

© Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in Gießen, Björn Weil

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