Medizinrecht: Arzthaftung Teil I Praktisches

Medizinrecht – Arzthaftung

Laut offizieller Statistik sterben in Deutschland pro Jahr 500 Menschen an den Folgen von ärztlichen Behandlungsfehlern. Studien aus Ländern mit vergleichbarer Qualität in der medizinischen Versorgung –  Niederlande, Kanada, Vereinigte Staaten – deuten aber darauf hin, dass die Zahl in Wirklichkeit 10- bis 15-mal so hoch ist. Oft handelt es sich auch um ein Verkettung unglücklicher Umstände.  Fast 14.900 Behandlungsfehlervorwürfe hatte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) 2015 zu prüfen. In gut 4.000 Fällen, also mehr als jedem vierten Fall, stellten die Gutachter einen Behandlungs- oder Pflegefehler fest.  Die Zahl der bestätigten Fehler stieg im Vergleich zu 2014 um 250.

Der Fehler kann rein medizinischen Charakters sein, sich aber auch auf organisatorische Maßnahme und auf fehlerhaftes Verhalten nachgeordneter oder zuarbeitender Personen beziehen.  Neben dem klassischen Therapiefehler kommen auch Fehler bei Diagnose oder ein Befunderhebungsfehler in Betracht.

Der Behandlungsfehler – Unterstützung sichern

Falls Sie denken, Sie sind Opfer eines Behandlungsfehlers geworden, fragen Sie sich möglicherweise, wie Sie dies feststellen lassen können und wie Sie einen solchen nachweisen können. Unabhängig davon, ob Sie gesetzlich oder privat krankenversichert sind, können Sie sich mit Ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen und den Sachverhalt schildern. Sie müssen dann die Behandlungsunterlagen bei den behandelnden Ärzten einfordern und diese an die Krankenversicherung weiter leiten. Diese versendet die Krankenunterlagen dann an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Dieser wird dann ein fachärztliches Gutachten erstellen. Insoweit ist allerdings anzumerken, dass die Qualität der Gutachten stark variiert. Sie müssen darauf achten, dass der Gutachter alle zur Verfügung stehenden Unterlagen auswertet und keine wesentlichen Vorwürfe unbeachtet lässt. In der Praxis stellt sich immer wieder raus, dass dies gerade bei Gutachten des MDK nicht immer der Fall ist. Ich erlaube mir an dieser Stelle die Einschaltung eines Anwalts für Medizinrecht zu empfehlen. Ein weiteres praktisches Problem besteht darin, dass die von den Behandlern übersandten Behandlungsunterlagen nicht immer vollständig sind. Auch diesbezüglich empfiehlt sich die Einschaltung eines Fachanwalt für Medizinrecht.

Alternativ können Sie auch einen privaten Gutachter bestellen. Dies ist natürlich mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. In der Regel weisen diese Parteigutachten jedoch eine hohe Qualität auf. Sie gelten allerdings – ebenso wenig wie Gutachten des MDK – im gerichtlichen Verfahren als Beweis. Sie müssen sich auch auf den Einwand des Haftpflichtversicherers gefasst machen, dass es sich um ein Parteigutachten handelt und dem Gutachten daher keine Relevanz beigemessen wird.

Eine weitere Alternative ist übrigens die „Schlichtungsstelle“ bei der zuständigen Landesärztekammer. Diese ist allerdings nicht umsonst be der Ärztekammer angesiedelt. Die Gutachten sind äußerst arztfreundlich und leiden auch an einigen weiteren Problemen, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde. Als beispiel sei genannt, dass die Schlichtungsstelle überhaupt nur tätig wird, wenn auch der Behandler dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle zustimmt. Insgesamt ist als Patient stren davon abzuraten, sich auf den Schlichtungsausschluss einzugehen. Als Fachanwalt für Medizinrecht habe ich schon Fälle erlebt, in denen der Schlichtungsausschuß keinerlei Behandlungsfehler feststellen konnte. Der später von mir beauftragte MDK stellte allerdings gleich einen groben Behandlungsfehler fest, in dessen Folge die Patientin verstarb.

Der Gegner – Die Haftpflichtversicherung

Nachdem Sie (möglicherweise zeitgleich mit der Beauftragung eines Gutachtens) Ihre Ansprüche gegenüber dem Arzt/Krankenhaus angemeldet haben, leiten diese in aller Regel das Anspruchsschreiben an den Haftpflichtversicherer weiter. Die weitere Korrespondenz erfolgt dann nur noch über Versicherung und Patient (bz. des ihn vertretenden Anwalt) und der gegenersichen Haftpflichtversicherung. Machen Sie Sie sich auf einiges gefasst: Die Haftpflichtversicherung wird alles tun um Zahlungsansprüche abzulehnen. Selbst bei eindeutigen Fällen werden immer wieder Verzögerungstatktiken aufgefahren.

Der Abschluss

Soweit es gelingt, einen Behandlungsfehler nachzuweisen und auch die Haftpflichtversicherung davon zu überzeugen, dass eine Schadensersatz/Schmerzensgeldzahlung erforderlich ist wird diese in der Regel einen Vergleich anbieten. Dort ist darauf zu achten, dass die Haftplichtversicherung auch für die zukünftig aus der Angelegenheit entstehende Schäden aufkommen wird. 

 

Weitere grundsätzliche Informationen zur Arzthaftung sowie Informationen zum Thema „Schadensersatz / Schmerzensgeld“ finden Sie auf den folgenden Seiten.

 

ABC der Arzthaftung

 

© Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Gießen; Björn Weil