Medizinrecht / Schadensersatz & Schmerzensgeld

Das OLG München hat 2017 einen Mann zu 71.000 € Schmerzensgeld verurteilt, da er seine 60jährige Freundin über die Durchführung eines HIV Tests getäuscht hat und diese infolge des Geschlechtsverkehrs infiziert hat. Die Frau hatte zuvor von dem Mann die Durchführung eines HIV Tests verlangt, da dessen ehemalige Partnerin an dem Virus gestorben war.  Der Mann belog sie aber über seine Infektion, steckt sie schließlich an und muss nun nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München vom Mittwoch zahlen. Die Richter sprachen der Frau ein Schmerzensgeld in Höhe von 71.000 Euro zu (Urt. v. 08.02.2017, Az.: 20 U 2486).

In der ersten Instanz waren der Frau noch 110.000 € zugesprochen worden; sie selbst hatte 160.000 € gefordert.  Bei der nun festgelegten Summe bleibt es aber möglicherweise nicht: Der Beklagte muss für eventuelle materielle und immaterielle Schäden, die der Frau künftig entstehen, zu zwei Dritteln ebenfalls aufkommen.

Grund für die Senkung des zugesprochenen Schmerzensgeldes war der Zeitpunkt der Infektion: Nach Ansicht eines sachverständigen Arztes geschah das wahrscheinlich nicht gleich beim ersten Geschlechtsverkehr, sondern erst später. Deshalb, so die Ansicht der Richter, hätten der Frau in diesem Zeitraum zwischenzeitlich Zweifel an der Auskunft des Mannes über seinen Gesundheitszustand kommen können. Somit stelle sich ihr Verhalten als eigenverantwortliche Selbstgefährdung dar, welche ihren Anspruch mindere.

Fälle von HIV-Infektionen beschäftigen die Justiz immer wieder. Nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe gab es seit 1987 in Deutschland aus diesem Grund 50 Strafprozesse, zivile Streitigkeiten seien dagegen seltener.

So verurteilte das  Landgericht Aachen hat am 23.03.2015 einen HIV-positiven Mann zu einer Bewährungsstrafe, der ungeschützten Sex mit seiner Lebensgefährtin gehabt hatte, ohne sie über seine Infektion zu informieren. Dabei war es zur Übertragung des Virus gekommen. Das Gericht bewertete das Geschehen «lediglich» als fahrlässige Körperverletzung. Die Deutsche Aids-Hilfe begrüßte die Entscheidung. Bisher seien der Bundesgerichtshof wie auch Instanzgerichte in solchen Fällen stets von Vorsatz ausgegangen oder hätten angenommen, die Angeklagten hätten die Infektion ihrer Partner «billigend in Kauf genommen», heißt es in einer Mitteilung vom 24.03.2015.

Nach Auffassung des Gerichts habe der Angeklagte seine Infektion aus Angst vor Verlust der Beziehung verschwiegen und gehofft, seine Partnerin werde sich nicht infizieren. Ein medizinischer Gutachter erklärte nach Mitteilung der Aids-Hilfe, das Übertragungsrisiko sei gering gewesen, da sich im Blut des Mannes nur relativ wenige HI-Viren befunden hätten. Der Angeklagte habe zudem versucht, seine Partnerin zu schützen, sei aber aufgrund der Umstände und seiner Angst gescheitert. Der Richter sah dementsprechend keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe.

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