Medizinrecht  / Sozialrecht

Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bin ich auch regelmäßig im Sozialrecht tätig. Tatsächlich bestehen große Teile des Medizinrechts aus dem Sozialrecht. So ist etwa das gesetzliche Krankenversicherungsrecht im Sozialgesetzbuch V geregelt. Auch das Vertragsarztrecht ist im Sozialrecht geregelt. Daher werden von hier aus regelmäßig auch Verfahren zur Erwerbsminderungsrente und zum Grad der Behinderung geführt. Die grundlegenden Fragen zum Bezug einer „Erwerbsminderungsrente“ habe ich hier zusammengefasst. Die Probleme, die sich etwa aus dem Rentensplitting ergeben und andere Fragestellungen sind in dieser Übersicht nicht enthalten. Sollten Sie weitere Fragen zu dem Thema haben können Sie sich jederzeit gerne an mich wenden.

Gerne bearbeite ich als Anwalt auch die entsprechenden Verfahren für Sie.

Inhalt:

 

 

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Grundsätzliches

Die Erwerbsminderungsrente dient dem Einkommensersatz für solche Versicherte, die aus gesundheitlichen Gründe nicht mehr arbeitsfähig sind. Unterschieden werden die Rente wegen teilweiser und wegen voller Erwerbsminderungsrente. Für vor dem 01.01.1961 geborene Versicherte wird zusätzlich das Risiko der Berufsunfähigkeit abgesichert.
Die Frage, ob Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gewährt wird hängt natürlich davon ab, in welchem Ausmaß die Erwerbsfähigkeit des Versicherten beeinträchtigt ist. Maßstab für die Erwerbsfähigkeit ist dabei der allgemeine Arbeitsmarkt. Die zugehörigen Feststellungen werden vom Rentenversicherungsträger auf Grundlage der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung getroffen. Das positive und das negative Leistungsbild des Versicherten werden dabei auf Grundlage der Befunde und Diagnosen der behandelnden Ärzte ausgewertet. Diese Beurteilung bestimmt den Umfang der Erwerbsfähigkeit.

 

Anspruchsvoraussetzungen
Einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderungsrente haben wegen § 43 Abs.1 oder Abs.2 SGB VI besteht, wenn

  • sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind
  • die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben
  • in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderungsrente drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben
  • vor Eintritt der Erwerbsminderungsrente die allgemeine Wartezeit erfüllt haben

 

Regelaltersgrenze

Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wird nach § 43 SGB VI nur bis zur Regelaltersgrenze gezahlt. Bis 2011 lag die Regelaltersgrenze bei 65 Lebensjahren. Seit 2012 wird diese Grenze für alle Jahrgänge seit 1947 stufenweise auf das 67Lebensjahr anghoben.. Der erste Geburtsjahrgang für den das 67te Lebensjahr maßgeblich sein wird, ist der Jahrgang 1964 (§ 35 SGB VI iVm § 235 SGB VI).
Die Bestimmung des maßgeblichen Lebensalters für die Regealtersgrenze erfolgt nach § 26 SGB X iVm §§ 187 Abs.2 und 188 BGB. Nach dem Kalendermonat in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird, ist von Amts wegen eine Regelaltersgrenze zu leisten ( § 115 Abs.3 SGB VI).
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderungsrente
Sind Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, sind sie erwerbsgemindert iSd § 42 Abs.1 SGB VI. Dabei muss die Erwerbsunfähigkeit auf die Krankheit oder Behinderung zurück zu führen sein.
Beide Begriffe lassen sich nicht klar trennen. Nach gängiger Definition ist unter „Krankheit“ „jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand der geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit zu mindern“. Unter den Begriff der „Behinderung“ versteht man einen von der Regel abweichenden körperlichen oder geistigen Zustand dessen Beseitigung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.
Die Begrifflichkeiten sind naturgemäß schwammig. Ihnen lässt sich allerdings entnehmen, dass altersbedingte Verschleißerscheinungen nicht zu einem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente führen. Es fehlt dann an der „Regelwidrigkeit“ der Verschleißerscheinungen.
Die so ermittelte Erwerbsunfähigkeit muss auch für mindestens sechs Monate ununterbrochen bestehen. Bei geringerer Dauer ist die Krankenversicherung eintrittspflichtig.
Die „üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts“
Freilich ist die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt zu betrachten. In Betracht kommen daher nur Tätigkeiten die der Versicherte mit seinem Restleistungsvermögen noch wirtschaftlich gewinnbringend einsetzen kann. Es kommt daher nicht allein auf die Leistungseinschränkungen des Versicherten, sondern auch auf die „konkrete Lage am Arbeitsmarkt“ an. So ist etwa eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu leisten, wenn der Versicherte noch zwischen drei und sechs Stunden arbeiten könnte, ihm aber auf Grund der Lage am Arbeitsmarkt kein Teilzeitarbeitsplatz angeboten werden kann. Für leistungsgeminderte Versicherte gibt es aber praktisch keine Teilzeitjobs.

Rente wegen voller Erwerbsminderung

Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs.2 SGB VI erhalten Versicherte, die noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht haben, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und sie voll erwerbsunfähig sind.
Voll erwerbsgemindert“ sind Personen, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Grenze korrespondiert mit Grenze der Arbeitsvermittlung. Dort wird davon ausgegangen, dass jemand der nicht mindestens drei Stunden täglich gewinnbringend arbeiten kann dem Arbeitsmarkt deswegen nicht zur Verfügung steht (§ 138 Abs.5 SGB III).

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ( § 240 SGB VI)

§ 240 SGB VI ist eine Sonderregelung für jene die vor dem 02.02.1961 geboren sind. Abweichend von den gegenwärtigen Regelungen ist für die diesbezüglichen Renten nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen. Vielmehr wird auf den bisher ausgeübren Beruf und einen zulässigen „Verweisungsberuf“ abgestellt. Entscheidend dafür, ob ein Versicherter auf einen entsprechenden Beruf verwiesen werden kann ist insbesondere, dass dessen Qualifikationen und Anforderungen vergleichbar sind.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente müssen nicht nur medizinische, sondern auch weitere sozialrechtliche / versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein.

Namentlich muss der Versicherte

  • die allgemeine Wartezeit erfüllen
  • besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sind

 

Erfüllung der allgemeinen Wartezeit

Nach § 43 Abs.1 Nr.3 und Abs.2 Nr.3 SGB VI ist für die Erwerbsminderungsrente die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren erforderlich. „Allgemeiner Wartezeit“ bedeutet, dass der Versicherungsnehmer mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein muss.

Vorzeitige Erfüllung der Wartezeit

Die allgemeine Wartezeit kann allerdings auf Grundlage des § 53 Abs.1 SGB VI auch vorzeitig erfüllt werden.
Die Wartezeit von fünf Jahren müssen nicht erfüllt sein, wenn einer der folgenden Gründe dazu geführt hat, dass der Versicherte voll oder teilweise erwerbsgemindert sind:

  • ein Arbeitsunfall
  • eine Berufskrankheit
  • eine Wehrdienst- oder Zivildienstbeschädigung
  • politische Haft

In diesen Fällen genügt ein einziger Beitrag zur Rentenversicherung. Bei einem Arbeitsunfall beziehungsweise Eintritt einer Berufskrankheit ist Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Unfalls oder der Erkrankung versicherungspflichtig war. Ist das nicht der Fall, müssen für mindestens zwölf Monate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten zwei Jahren vor dem Unfall oder der Erkrankung eingezahlt worden sein.

Die allgemeine Wartezeit muss ebenfalls nicht erfüllt sein, wenn der Versicherte

  • innerhalb von sechs Jahren nach dem Ende einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden sind und
  • in den zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens zwölf Monate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben.

Der Zeitraum von zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres, längstens jedoch um sieben Jahre.
Der in der Praxis häufigste Grund für die vorzeitige Erfüllung der Wartezeit ist der Eintritt der Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall. Um einen Arbeitsunfall im Sinne der Erwerbsminderungsrente handelt es sich allerdings nur dann, wenn ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) vorliegt. In diesem Fall muss zusätzlich die „Versicherungspflicht im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls“ bestehen. Bei mehreren Tätigkeiten reicht es aus, wenn nur eine davon eine Versicherungspflicht auslöst.
War der Versicherte am Tag des Arbeitsunfalls nicht versicherungspflichtig beschäftigt, so reicht es auch aus, wenn er in den letzten zwei Jahren für mindestens ein Jahre Pflichtversicherungsbeiträge gezahlt hat.

Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Ausweislich § 43 Abs.1 Nr.2 und Abs.2 Nr.2 SGB VI müssen von den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein. Dabei ist die Berechnung des Fünf Jahreszeitraums ausweislich § 26 SGB X tagegenau vorzunehmen. Der Monat in dem die Erwerbsminderung eintritt ist dabei mitzurechnen. Ebenso gelten Teilmonate mit Beitragszahlung als volle Monate, § 122 SGB VI.

Ausweislich § 55 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten solche, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt wurden oder aber aufgrund besonderer Vorschriften als gezahlt gelten.

Dies sind insbesondere

  • Pflichtbeitragszeiten, §§ 1 bis 4 SGB VI
  • Kindererziehungszeiten, §§ 56, 249 SGB VI
  • Nachversicherungsbeiträge, §§ 8, 158 Abs.2 SGB VI

Insbesondere die Möglichkeit der Nachversicherung ist eine oft übersehene Möglichkeit, fehlende Beitragszahlungen im Nachhinein noch aufzufüllen und damit einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nachträglich herbeizuführen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Björn Weil in Gießen

 

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