Die Statistik des BMF

Alle Jahre wieder erstellt das Bundesministerium der Finanzen zu den Straf- / Bußgeldverfahren im Steuerstrafrecht eine Statistik. Die letzte veröffentliche Statistik stammt aus dem Jahr 2019 (veröffentlicht Oktober 2020).
In diesem Zeitraum wurden in den Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter bundesweit insgesamt circa 54.000 Strafverfahren wegen Steuerstraftaten bearbeitet. Zudem wurden rund 5.000 Bußgeldverfahren abgeschlossen und Bußgelder in einer Gesamthöhe von circa 25 Mio. € festgesetzt. Im selben Zeitraum erledigte die Steuerfahndung bundesweit insgesamt 35.000 Fälle. Dabei wurden Mehrsteuern in Höhe von rund 2,8 Mrd. € festgestellt und Freiheitsstrafen im Gesamtumfang von 1.234 Jahren verhängt.
Dieser Statistik lässt sich bereits entnehmen, dass Strafverfahren in Steuersachen keine Seltenheit sind. Sie sind – insbesondere für Ärzte wie sich noch zeigen wird – eine ernst zu nehmende Angelegenheit.

 

Zuständigkeiten in Steuerstrafrsachen & Ordungswidrigkeiten

Soweit nicht die Staatsanwaltschaft zuständig ist, obliegt die Ermittlung und Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten den Bußgeld- und Strafsachenstellen der (Landes-) Finanzämter. Sie entscheiden über die Einleitung oder auch über Einstellung eines Steuerstraf – oder Bußgeldverfahrens, können Strafbefehle beantragen, die Strafsache gegebenenfalls an die zuständige Staatsanwaltschaft abgeben und erlassen auch Bußgeldbescheide.

 

Die Grundnormen des Steuerstrafrechts

In den §§ 369 ff.Abgabenordnung (AO) sind die strafrechtlichen Konsequenzen bestimmter Verstöße gegen Steuergesetze kodifiziert. Allerdings knüpfen diese an das materielle Steuerrecht an. Welches Verhalten durch die §§ 369ff. AO sanktioniert wird entscheidet daher das Steuerrecht.
Die Straftatbestände im Hinblick auf die Umsatzsteuer sind vor allem in § 26a und § 26c UstG enthalten. Soweit Ärzte betroffen sind, sind die Vorschriften jedoch eher unbeachtlich. Im Zusammenhang mit Ärzten ist vor allem die AO (Abgabenordnung) von strafrechtlicher Relevanz.
Neben der Grundnorm des § 370 AO (Steuerhinterziehung) existieren weitere Tatbestände wie etwa die leichtfertige Steuerhinterziehung (§ 378 AO). Der Tatbestand ist mit jener der Steuerhinterziehung identisch. Es handelt sich um einen sogenannten Auffangtatbestand. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass auch der (grob) fahrlässige Handelnde strafrechtlich sanktioniert wird.
Unter dem Begriff der „Leichtfertigkeit“ versteht man eine besondere Form der Fahrlässigkeit., Sie liegt vor, wenn jemand in besonders grobem Maße gegen die Sorgfaltspflicht verstößt und ihm dieser Verstoß besonders vorzuwerfen ist, weil er die Folgen leicht hätte vorhersehen und vermeiden können.

Spiel auf Zeit: Zu beachten ist, dass auch die durch Handlung des Steuerpflichtigen bewirkte verspätete Festsetzung einer Steuer den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen kann, § 370 Abs.4 S.1 AO. Dies etwa auch dann, wenn zuvor ein Stundungsantrag gemäß § 222 AO aufgrund fehlerhafter Angaben bewilligt wurde.

 

Die Strafzumessung im Steuerstrafrecht

Grundsätzlich gelten auch im Steuerstrafrecht die allgemeinen Strafzumessungsgründe des § 46 StGB. So unter anderem die „Gesinnung die aus der tat spricht“, aber auch das „Maß der Pflichtwidrigkeit“.
Im Steuerrecht ist aber auch die Höhe der hinterzogenen Steuer von maßgeblicher Bedeutung. Auf Rechtsfolgenebene zu unterscheiden sind natürlich auch hier die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe. Die Verhängung von Freiheitsstrafen bildet im Steuerstrafverfahren eher die Ausnahme. In der Regel wird eine Geldstrafe festgesetzt. Jedoch hat der BGH in seinem Urteil vom 02.12.2018 (BGHSt 1 StR 416/08) klargestellt, dass ein Absehen von Freiheitsstrafe bei Steuerhinterziehung im sechsstelligen Bereich nur in Betracht kommt, wenn dafür „besonders gewichtige Gründe“ sprechen. Im Falle eines Falles gilt es daher für den bearbeitenden Anwalt solche darzulegen.
Neben der Höhe der hinterzogenen Steuer ist für die der verwirklichte Tatbestand natürlich wesentlich. Die Rechtsfolge bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung (§ 378 AO) ist bei weitem nicht so scharf wie im Falle des Vorsatzes (also der vorsätzlichen Steuerhinterziehung, § 370 AO). Während die Steuerhinterziehung mit einer Freiheitsstrafe mit bis zu fünf Jahren geahndet wird (im besonders schweren Falle der Steuerhinterziehung – § 370 Abs.3 AO – drohen gar sechs Monate bis 10 Jahre) sieht die leichtfertige Steuerhinterziehung „lediglich“ Geldbußen vor.
Für den bearbeitenden Rechtsanwalt ergibt sich hier die Möglichkeit im Falle der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes seinen Mandanten wenigstens in strafrechtlicher Hinsicht besser zu stellen. Dafür muss der Vorsatz hinsichtlich des Tatbestandes erfolgreich in Frage gestellt werden. Dies freilich wirkt sich erheblich auf die Strafzumessung aus.

 

Die Erledigungsmöglichkeiten im Strafverfahren (Steuer)

Für die einschlägigen Strafverfahren gelten die Einstellungsmöglichkeiten der StPO wie für alle anderen Strafverfahren auch. Daneben gibt es noch das Institut der „strafbefreienden Selbstanzeige“. In der Statistik wird dies als „Einstellung in besonderen Fällen“ reflektiert. Bevor wir uns der strafbefreienden Selbstanzeige zuwenden widmen wir uns noch kurz der diesbezüglichen Statistik:
„Im Jahr 2019 wurden von den Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter bundesweit insgesamt 54.369 Strafverfahren abgeschlossen. Unter den 21.014 Steuerstrafverfahren, die nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurden, waren 5.912 Verfahren nach Selbstanzeigen wegen Steuerhinterziehung mit einem hinterzogenen Betrag bis 25.000 €. In weiteren 387 Fällen erfolgte ein Absehen von der Verfolgung in besonderen Fällen, und zwar gegen Zahlung eines Geldbetrags an die Staatskasse von insgesamt circa 9,1 Mio. €. Die 15.352 Einstellungen der Steuerstrafverfahren bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO waren mit Geldauflagen in Höhe von 364,0 Mio. € verbunden.
Von den Staatsanwaltschaften und Gerichten wurden im gleichen Zeitraum 11.707 Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen (Quelle: Monatsbericht des BMF (bundesfinanzministerium.de)).“

 

Die strafbefreiende Selbstanzeige

Selbstanzeigen wirken gewöhnlicherweise strafmildernd. Im Steuerrecht wirkt sie gar strafbefreiend, ist allerdings an einige Voraussetzungen geknüpft. Geregelt die strafbefreiende Selbstanzeige in § 398a AO.
Aus der Norm ergibt sich, dass der Steuerpflichtige die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, den Hinterziehungszins nach § 235 und die Zinsen nach § 233a AO sowie die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs.4 AO angerechnet werden zu entrichten hat. Aus § 398 Nr.2 AO ergibt sich, dass sodann eine weitere Strafzahlung in der dort genannten Höhe fällig wird.
Nur dann wirkt die strafbefreiende Selbstanzeige tatsächlich strafbefreiend. Nach § 398a AO handelt es sich um

  • a. 10 Prozent der hinterzogenen Steuer, wenn der Hinterziehungsbetrag 100.000 € nicht übersteigt
  • b. 15 Prozent der hinterzogenen Steuer, wenn der Hinterziehungsbetrag 100.000 € übersteigt und 1.000.000 € nicht übersteigt
  • c. 20 Prozent der hinterzogenen Steuer, wenn der Hinterziehungsbetrag 1.000.000 € übersteigt.

Sollte das dem Steuerpflichtigen nicht möglich sein, so wirkt sich die Selbstanzeige noch immer strafmildernd aus.

 

Der Arzt und die sog: „Nebenfolgen“ der Steuerhinterziehung

All dies gilt für jeden vom Ermittlungsverfahren betroffenen Steuerpflichtigen. Soweit Ärzte betroffen sind, ist allerdings neben diesen bereits gravierenden Folgen noch zu bedenken, dass eine entsprechende Verurteilung auch noch berufsrechtliche Folgen haben kann. Dies ist auch vom bearbeitenden Anwalt stets zu bedenken. Hier können Approbation und Zulassung gefährdet sein.

Nebenfolgen“ eines Steuerstrafverfahrens: Verlust der Approbation

Gemäß § 5 Abs. 2 BÄO i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist die Approbation zwingend zu widerrufen, wenn der Arzt sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.

Unzuverlässig als Arzt ist nach der Rechtsprechung, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen werde (OVG NRW 24.9.93, 5 B 1412/93). Unwürdigkeit liegt vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist (BVerwG 9.1.91, 3 B 75.90).

Noch 1993 lehnte das OVG NRW den Widerruf der Approbation eines Zahnarztes nach einer Verurteilung (Freiheitsstrafe) wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung ab. Es sei kein strenger sozialethischer Maßstab an den Gesetzesgehorsam eines Arztes anzulegen. Der Zahnarzt sei nur „als Steuerbürger“ rechtsuntreu geworden – das reiche nicht aus für die Annahme einer „Unwürdigkeit“ im Sinne des ärztlichen Berufsrechts (§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 der Bundesärzteordnung – BÄO). Die Zeiten haben sich seitdem erheblich geändert.

Der BayVGH hat 2013 entschieden, dass eine massive Steuerhinterziehung über mehrere Jahre hinweg jedenfalls nicht mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, dass die Bevölkerung allgemein von einem Arzt hat. Wer unter Aufwendung erheblicher krimineller Energie dem Fiskus Steuern massiv, beharrlich und über einen langen Zeitraum entzieht, verliert auch ohne unmittelbar berufsbezogenes Fehlverhalten das notwendige Vertrauen in die vorrangig am Wohl der Patienten orientierte Berufsausübung. Er bringt dadurch zum Ausdruck, dass er sein gesamtes Verhalten primär an seinen eigenen finanziellen Interessen orientiert. Dies rechtfertigt die Annahme der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs, da ein Gewinnstreben um jeden Preis zu einem erheblichen Ansehens- und Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit führt  (BayVGH 19.7.13, 21 ZB 12/2581; siehe auch VG Köln 09.01.2018, 7 K 6082/15).

 

Ruhen der Approbation bei Verdacht einer Straftat

Problematisch ist insbesondere, dass gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn gegen einen Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist. Das bedeutet für den steuerpflichtigen Arzt, dass er noch nicht einmal verurteilt werden muss um an der Ausübung seines Berufs gehindert zu sein.

Dazu ist aus der Rechtsprechung;

Ein Strafverfahren umfasst das Ermittlungs-, Zwischen-, Haupt- und Vollstreckungsverfahren. Es besteht nicht die Notwendigkeit, dass das Strafgericht bereits das Hauptverfahren eröffnet hat oder eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt. Eine nach den Ermittlungsergebnissen hinreichende Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung ist ausreichend, vgl. OVG Saarland, Urteil vom 29.11.2005 – 1 R 12/05-; OVG Lüneburg, Beschluss vom 15.07.2003 -8 ME 96/03 –; OVG NRW, Beschluss vom 06.06.1988 -5 B 309/88 -; OVG NRW, Beschluss vom 19.07.2013 – 13 A 1300/12.

 

2. Die Tätigkeit des Fachanwalts Medizinrecht

Im Ermittlungsverfahren ist der Strafverteidiger hingegen auch gefordert, einer Mitteilung der Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaft an die Approbationsbehörden entgegen zu wirken. Gesetzliche Grundlage für die Mitteilungen ist die MiStra (Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen). entgegenzuwirken. Deren Nr. 26 sieht die Mitteilung an die für die Approbation zuständige Behörde für den Fall einer Straftat vor, welche geeignet ist, die Unzuverlässigkeit im Rahmen beruflicher Pflichten zu begründen.

Allerdings sieht die MiStra auch Einschränkungen vor. Bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens dahin darf die Steuerbehörde der für die Approbation zuständigen Stelle keine Kenntnis von ihrem Verdacht geben (§ 30 AO – Steuergeheimnis).

Die Steuerstrafverteidigung muss vor dem Hintergrund der existentiellen Bedrohung des Mandanten durch den Entzug der Approbation primär auf Nichteröffnung des Hauptverfahrens gerichtet sein.

Insbesondere die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen gemäß § 153a Abs.1 StPO kann den Verlust der Approbation verhindern. Auch eine Einstellung nach § 153a Abs.2 StPO führt in der Regel dazu, dass der Arzt seine Approbation behalten kann.
Eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen gemäß § 153 a Abs. 1 StPO verhindert ebenfalls den Verlust der Approbation.

In jedem Falle gilt es, die Eröffnung des Hauptverfahrens zu verhindern. Zwar ist die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht zwingende Voraussetzung um ein Ruhen der Approbation zu veranlassen (dazu oben). Allerdings sieht § 6 BOÄ auch vor, dass das Ruhen der Approbation wieder aufzuheben ist, sobald dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. In der Regel ist davon auszugehen, dass sich die für die Approbation zuständige Behörde davon überzeugen lässt, wenn „nicht einmal“ ein Hauptverfahren eröffnet wird.

 

 

Mitgeteilt von: Rechtsanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für Medizinrecht in Gießen, Björn Weil

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