Medizinrecht – Arzthaftung

Eine Frau ließ von einer Arztpraxis eine künstliche Befruchtung mit Samen eines ihr unbekannten Spenders durchführen. Sie bat um eine erneute heterologe Insemination zur Zeugung eines weiteren Kindes, das von demselben Vater abstammen sollte wie die zuvor geborene Tochter. Nach der zweiten Geburt erfuhr sie allerdings, dass ihre Kinder nicht vom selben Spender abstammten.

Auf die Klage der Patientin sprach das Landgericht der Frau ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € zu. Das Urteil des Landgerichts wurde durch das OLG Hamm (Urteil vom 19.02.2018 – 3 U 66/16) bestätigt. Nach der Auffassung des OLG Hamm könne es offenbleiben,  ob der haftungsbegründende Schaden der Klägerin bereits in der zweiten Insemination liege, die pflichtwidrig mit dem falschen Sperma durchgeführt worden und nicht von der Einwilligung der Klägerin gedeckt gewesen sei. Jedenfalls hafteten die Beklagten für die körperlich-psychischen Auswirkungen der Pflichtverletzung auf die Klägerin. Die Nachricht, dass ihre Kinder keine Vollgeschwister seien, habe bei ihr eine Belastungssituation mit Erschöpfungszuständen, depressiven Episoden und Schuldgefühlen gegenüber beiden Kindern ausgelöst und eine psychologische Behandlung notwendig gemacht. Die Situation sei auch nicht – wie von der Beklagten behauptet – mit der Situation eines Schockschadens vergleichbar, da die Klägerin unmittelbar und selbst von den Konsequenzen der fehlerhaften Insemination betroffen war.

Einen Anspruch der Klägerin darauf, die bei den Beklagten vorhandene Kartei mit den Daten der Samenspender (Name, Geburtsdatum, Wohnort etc.) einzusehen, verneinte das OLG. Bei der Kartei handele es sich nicht um die Behandlung der Klägerin betreffende Krankenunterlagen im Sinne von § 630f BGB.

Dagegen sprach es den beiden ebenfalls klagenden Kindern das Recht zu, von den Beklagten Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters verlangen zu können. Ihrem Auskunftsrecht sei gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Spender, denen die Behandler Anonymität zugesichert hätten, der Vorrang einzuräumen.

Zusammenfassung (Redaktioneller Leitsatz des OLG):
Der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen gibt kein Recht auf Einsicht in eine Kartei mit Samenspendern. Ein Arzt ist grundsätzlich nicht verpflichtet, einem Patienten gegenüber die Richtigkeit und Vollständigkeit überreichter Behandlungsunterlagen an Eides statt zu versichern. Trägt eine mit „falschem“ Sperma, weil nicht vom richtigen Samenspender stammend, durchgeführte heterologe Insemination zu einer körperlich-psychischen Belastung der Mutter bei, kann der Mutter ein Schmerzensgeldanspruch gegen den für die Insemination verantwortlichen Arzt zustehen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 19.02.2018 – 3 U 66/16
Zum Urteil des OLG Hamm

Mitgeteilt von: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Björn Weil in Gießen

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