Medizinrecht – Arzthaftung wegen Aufklärungsfehler

Behandelt ein Arzt seinen Patienten mit einer neuartigen Methode, so muss er ihn  darüber aufklären, dass möglicherweise nicht bekannte Risiken bestehen könnten.

Die Aufklärungspflicht des Arztes resultiert aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und gehört zu den Hauptpflichten des Arztes aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag. Der Kern der Aufklärungspflicht lässt sich dahingehend umschreiben, dass der Patient rechtzeitig wissen muss, was mit ihm in medizinischer Hinsicht geschehen soll und welche Risiken dabei bestehen (Risikoaufklärung).Der Patient muss Art und Schwere des Eingriffs erkennen können, indem ihm alle typischen und nicht völlig fern liegenden Risiken des Eingriffs mitgeteilt werden.  Daneben bestehen noch weitere Aufklärungspflichten wie etwa die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung.

Die ärztlichen Aufklärungspflichten sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. So auch Anfang 2018 in einer Entscheidung des OLG Hamm. Das Gericht entschied, dass eine Einwilligung des Patienten in eine Operation mit einer neuartigen Methode unwirksam ist, wenn er nicht zuvor explizit auf mögliche unbekannte Risiken hingewiesen wurde (Urt. v. 23.01.2018, Az. 26 U 76/17 ).

Geklagt hatte eine ältere Dame, die sich  wegen  Inkontinenz in einem  Krankenhausein Siegen vorgestellt hatte. Der Frau wurde ein operativer Eingriff vorgeschlagen, bei dem ein Netz im Beckenbodenbereich eingebracht wird. Dabei handelt es sich um eine „Neulandmethode“, da die Einbringung des Netzes noch nicht oft genüg durchgeführt und erprobt wurde um bereits als „Standard“ zu gelten.  Alternativ dazu schlug man der Frau auch ein klassisches Operationsverfahren vor.

Die Patientin entschied sich für das moderne Verfahren und unterzog sich noch im selben Monat dem Eingriff. Entgegen den Hoffnungen der Klägerin brachte die OP keine Besserung sondern „Dyspareunie“. Darunter sind Schmerzen bzw. körperliche Missempfindungen beim Geschlechtsverkehr zu verstehen. Binnen eines Jahres folgten fünf weitere Operationen, bei denen weite Teile des Netzgewebes wieder entfernt werden mussten. Die Klägerin litt dennoch weiter unter Schmerzen.

Gerichtliches Verfahren (LG Siegen Urt. v. 05.05.2017, Az. 2 O 1/15)

Die Frau  verklagte  den Träger der Klinik auf Schadenersatz, insbesondere ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro, weil sie nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden sei. Vor dem Landgericht (LG) Siegen hatte sie damit größtenteils Erfolg: Die Kammer sprach ihr auf der Grundlage eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens  ein Schmerzensgeld i. H. v. 35.000 Euro zu (Urt. v. 05.05.2017, Az. 2 O 1/15). Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass das  neue Verfahren  zum Zeitpunkt der Behandlung als erfolgversprechender als die bisherige, klassische Methode galt. Belastbare Informationen über Risiken hätten aber noch nicht vorgelegen, da die klinische Erprobung  des in den USA entwickelten Verfahrens noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Insbesondere sei nicht bekannt gewesen, ob die Einbringung des Netzes Schmerzen mit länger andauernden und größeren Schmezen verbunden sein könne, wie sie bei der Klägerin eingetreten waren.

Gegen das Urteil des LG Siegen ging der Klinikträger in Berufung. Allerdings bestätigte das OLG Hamm das erstinstanzliche Urteil. Der Senat befand, dass der Eingriff nicht von einer wirksamen Aufklärung der Patientin gedeckt gewesen sei. Hierfür hätte sie nach Ansicht des 26. Zivilsenats besonders auf etwaige, noch unbekannte Risiken der neuen Methode hingewiesen werden müssen, damit die Patientin in der Lage ist, Nutzen und Risiken abzuwägen.  Da dies nicht geschehen sei, sei der Eingriff zwar kunstgerecht aber dennoch rechtswidrig erfolgt.

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