Medizinrecht – Arzthaftung – OLG Hamm vom 04.04.2017 26 U 88/16
Im entschiedenen Fall erlitt der Kläger (das geschädigte Kind) als Folge fehlender dauerhaft gebotener CTG Überwachung und Überschreiten der EE Zeit einen fehlerbedingten hypoxischen Hirnschaden. Beides wurde vom OLG Hamm als grober Behandlungsfehler eingestuft.
Dazu der Senat:
Der geburtshilfliche Sachverständige Dr. L hat das Unterlassen einer permanenten CTG-Überwachung als groben Fehler mit Missachtung des internationalen Mindeststandards bewertet. Dem schließt sich der Senat bei juristischer Bewertung an. Ohne dauerhafte Überwachung stellte sich das Zuwarten mit der Sektio bei von vorneherein auffälligem CTG als eine Art Blindflug, so der Sachverständige, dar, der mit gravierendsten Risiken für das ungeborene Kind behaftet war. Es handelt sich deshalb auch nach Überzeugung des Senates um einen Fehler, bei dem eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen wurde, und der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen durfte (vgl. etwa BGH-Urteil v. 17.11.2015 – VI ZR 476/14 -; veröffentlicht in NJW 2016, S.563 [564]; BGH NJW 2001, S.2795 [2796]).
Ebenfalls als einen derartigen groben Behandlungsfehler wertet der Senat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen, dass nicht spätestens um 4:20 Uhr eine Not-Sektio unter Einhaltung der EE-Zeit von 20 Minuten vorgenommen worden ist. Der Sachverständige hat die Überschreitung der EE-Zeit um fast das Doppelte als medizinisch nicht mehr nachvollziehbar gehalten. Dem schließt sich der Senat wegen der damit verbundenen Risiken einer hypoxischen Schädigung an.
Zum Schaden:
Der Kläger erlitt aufgrund de Behandlungsfehler eine expressive Sprachentwicklungsstörung sowie Schwächen beim Sprechverständnis und dem Sprechvermögen. Feinmotorische Abläufe und Motorik sind gestört. Eine schadensbedingte Epilepsie ist medikamentös eingestellt. Im Hinblick auf Sprachvermögen, wird der Kläger das Niveau eines sieben bis achtjährigen erreichen. Im Hinblick auf die Motorik nicht einmal das. Da keine Persönlichkeitsstörung eingetreten ist, wir der Kläger sich der eigenen Defizite bewusst sein.
Der Senat hat im vorliegenden Fall ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 e für angemessen erachtet.
Mitgeteilt von: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in Gießen und Wetzlar, Björn Weil