Interessantes aus der Rechtsprechung zur Arzthaftung in 2021: Teil III

Zur Wahrungs des Selbstbestimmungsrecht des Patient ist die ärztliche Aufklärung über die anstehende Behandlung erorderlich. Soweit sich ein Patient in einem Haftungsverfahren gegen den Arzt auf einen Aufklärungsmangel beruft, ist es zunächst Sache des Arztes zu beweisen, dass eine ordungsgemäße Aufklärung stattgefunden hat. Angesichts der Vielzahl der Fälle die ein Arzt behandelt wird dieser sich in der Regel nicht an das individuelle Gespräch erinnern können. Die Rechtsprechung lässt daher auch den sogenannten „immer so“ Beweis zu. Der Arzt kann sich im Verfahren darauf berufen, dass er in vergleichbaren Fällen stets eine bestimmte Aufklärung leistet. Damit aber wieder liefe natürlich jede Aufklärungsrüge ins Leere so lange der Arzt dies bloß behauptet. Daher hat sich das OLG Dresden der Frage angenommen, welche Anforderungen an die Ausführungen des Arztes sowie die entsprechende Dokumentation erforderlich sind. Eine für den Fachanwalt im Medizinrecht äußerst spannende Lektüre soweit Verfahren der Arzthaftung betroffen sind. Das OLG Dresden hat festgestellt, dass die Angaben des Arztes „schlüssig“ sein müssen und die Dokumentation dazu geeignet sein muss, die Behauptungen des Arztes zu bestätigen.

Ausgewertet und mitgeteilt von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in Gießen; Björn Weil

 

1. Der vom Arzt zu führende Beweis für ein ausreichendes Aufklärungsgespräch erfordert nicht dessen konkrete Erinnerung. Er kann auch durch den Nachweis einer „ständigen Übung“ geführt werden, wenn die Angaben des Arztes hierzu schlüssig sind und durch die Dokumentation im Wesentlichen bestätigt werden.

2. Die Anlage eines Zentralvenenkatheters über die vena femoralis ohne Ultraschallüberwachung entsprach im Jahr 2013 dem medizinischen Behandlungsstandard.

Tenor
  1.  Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 15.06.2020 – 7 O 2979/18 – wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  3. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 68.399,56 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 12.03.1958 geborene Kläger leidet an schubförmig auftretender multipler Sklerose, die im Dezember 2011 diagnostiziert wurde. An Nebenerkrankungen liegen Adipositas und diverse orthopädische Erkrankungen vor. Im Dezember 2012 kam es zu einer Verschlechterung der Gehfähigkeit, die zur zeitweisen Verwendung eines Rollstuhls bis Mitte Januar 2013 führte. Es wurde eine Immunadsorption (Verfahren zur Entfernung einzelner Blutbestandteile; in einem extrakorporalen Kreislauf werden aus dem Blut des Patienten mit Hilfe eines Adsorbers gezielt bestimmte lösliche Faktoren des Immunsystems entfernt) im Hause der Beklagten geplant. Am 23.01.2013 stellte er sich ambulant vor und Dr. O… führte ein Aufklärungsgespräch. Der Kläger unterzeichnete einen Aufklärungsbogen (Anlage B1). Am 28.01.2013 wurde er stationär bei der Beklagten aufgenommen. Oberarzt Dr. H… versuchte mehrfach einen Shaldon-Katheter in die Schlüsselbeinvene zu legen, was misslang. Es wurde ein Röntgenthorax durchgeführt, um festzustellen, ob ein Pneumothorax verursacht worden war. Der Katheter ist anschließend in die vena femoralis in der rechten Leiste eingeführt worden. Die Immunadsorption war über den Shaldon-Katheter nur zum Teil möglich. Dem Kläger wurde ein Zugang in die Armvene gelegt und die Behandlung in den folgenden Tagen durchgeführt. Am 02.02.2013 wurde durch Dr. K… der Venenkatheter gezogen und es kam zu einer pulsierenden Spritzblutung. Diese wurde manuell durch den Arzt und eine hinzugezogene Schwester händisch komprimiert und ein Druckverband angelegt. Der Hämoglobinwert wurde gemessen, der geringfügig erniedrigt war. Der Druckverband wurde gegen 21.00 Uhr gelockert und der Fußpuls geprüft. Gegen 00.15 Uhr des 03.02.2013 entließ sich der Kläger entgegen ärztlichem Rat selbst und stellte sich bei seinem Hausarzt am Montag, den 04.02.2013 vor. Es bildete sich auf der linken Seite ein Hämatom vom Oberschenkel bis zur Wade. Es entwickelte sich ein Aneurysma im Darmbein, das chirurgisch im Januar 2014 entfernt wurde.

Der Kläger hat behauptet, eine ordnungsgemäße Aufklärung sei vor der Anlage des Katheters nicht erfolgt. So habe er den Aufklärungsbogen am Krankenbett ungelesen unterzeichnet und sei auch mündlich nicht über die Anlage eines Shaldon-Katheters in der Leiste aufgeklärt worden. Die Anlage des Katheters am Schlüsselbein sei nicht gelungen, weil in fehlerhafter Weise auf ein Ultraschallgerät verzichtet worden sei. Trotz Lokalanästhesie seien diese vergeblichen Versuche sehr schmerzhaft gewesen. Es hätte versucht werden müssen, den Zugang über die Vene am Hals zu legen. Der Katheter sei stattdessen fehlerhaft in der Leiste eingeführt worden, wobei nicht beachtet worden sei, dass hierbei das Bein absolut ruhiggestellt werden müsse. Der Katheter sei behandlungsfehlerhaft gezogen worden, er habe in der Folge starke Schmerzen verspürt und nachts mehrfach vergeblich nach einer Ärztin gerufen. Aus diesem Grund habe er sich selbst entlassen. Bis Mitte März 2013 habe er auch weiterhin an starken Schmerzen gelitten, und es sei zu dauerhaften Sensibilitätsstörungen gekommen. Auch die Ausbildung des operationsbedürftigen Aneurysma sei darauf zurückzuführen. Dies hätte verhindert werden können, wenn die Behandler im Hause der Beklagten den Katheter unter Hinzunahme eines Ultraschallgerätes am Schlüsselbein oder am Hals eingeführt hätten. Das Verhalten sei grob fehlerhaft gewesen. Er habe Anspruch auf ein Schmerzensgeld von 12.000,00 €, die Zahlung weiterer Behandlungskosten, Aufwendungen, Kosten der vermehrten Haushaltsführung sowie Verdienstausfall.

Das Landgericht hat den Kläger sowie den Zeugen Dr. O… angehört, ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. B… eingeholt und die Klage mit Urteil vom 15.06.2020 – auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, die Aufklärung sei insbesondere auch deshalb fehlerhaft, weil sie nur an die Anlage eines Cava-Katheters und zudem nicht auf die Anlage in der Leiste bezogen gewesen sei. Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, dass der Zeuge die Aufklärungspflicht erfüllt habe. Dass er den vorgelegten Bogen auf dem Krankenbett liegend ohne weitere Aufklärung unterschrieben habe, sei nicht gewürdigt worden. Zu Unrecht sei das Landgericht von einer hypothetischen Einwilligung ausgegangen. Die Anlage des Katheters hätte schon wegen seiner bekannten Vorerkrankung (Adipositas) sonographisch gestützt erfolgen müssen. Zudem sei auch die Lage des Katheters in der Leiste nicht geprüft worden. Ohne weitere Prüfung habe das Landgericht die Vermutung des Sachverständigen Prof. Dr. B… übernommen, wonach eine Kontrolle stattgefunden habe. Entgegen dem ärztlichen Standard sei der Katheter von einem Arzt in Ausbildung im Patientenzimmer gezogen worden und nicht in einem sterilen Arztzimmer unter Anwesenheit von weiterem Pflegepersonal. Das Landgericht habe sich nicht mit den widersprüchlichen Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. B… und des von der Landesärztekammer hinzugezogenen Gutachters Prof. Dr. R… auseinandergesetzt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 15.06.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig, Az.: 07 O 2979/18, wird die Beklagte verurteilt,

– an den Kläger antragsgemäß Schmerzensgeld mindestens in Höhe von 12.000,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.01.2019 zu zahlen.

– an den Kläger antragsgemäß Schadensersatz in Höhe von weiteren 51.398,56 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2019 zu zahlen.

– festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren materiellen und nicht vorhersehbare immaterielle Schäden zu ersetzen, die aus seiner ärztlichen Behandlung bei der Beklagten im Zeitraum vom 28.01.2012 bis 03.02.2013 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Hilfsweise

die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Leipzig, Az.: 7 O 2979/18 und Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges gemäß § 538 Abs. 2 ZPO.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Zu Unrecht entnehme der Kläger aus den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. R… einen einfachen Behandlungsfehler. Dieser habe missverstanden, dass eine nicht erfolgreiche oder komplikative Behandlung nicht mit einem schuldhaften Behandlungsfehler gleichgesetzt werden könne. Die Annahme der Schlichtungsstelle, dass ein Behandlungsfehler vorliege, finde keine Grundlage im Schlichtungsgutachten. Ein relevanter Widerspruch bestehe nicht. Im Übrigen hätte eine Kontrolle der Lage des Katheters nichts anderes als die Entfernung desselben nach sich gezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen. Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. B… ergänzend angehört.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

A

Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus §§ 630 a ff., 280249253 BGB zu. Der Beklagten ist der Beweis für eine ordnungsgemäße Aufklärung gelungen. Der Kläger konnte einen Behandlungsfehler nicht beweisen.

1.

Zu Recht hat das Landgericht die Aufklärung des Klägers vor dem Eingriff für ausreichend gehalten. Der Kläger hat mit dem Zeugen Dr. O… ein Aufklärungsgespräch geführt und den Aufklärungsbogen (Anlage B1) unterzeichnet. Dieser ist sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13 – juris). Ein solches Aufklärungsgespräch hat auch der vor dem Landgericht vernommene Zeuge Dr. O… bestätigt. An den Nachweis sind keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen zu stellen. Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist (vgl. Senat, Urteil vom 09.10.2018 – 4 U 537/18 – juris; Senat, Urteil vom 21.08.2020 – 4 U 1349/18 – juris). Der Zeuge Dr. O… konnte sich an das konkrete Gespräch nicht mehr erinnern und hat daher erläutert, wie er üblicherweise die Aufklärung gestaltet. Er lege das Vorgehen beim Anlegen eines Venenkatheters und die üblichen Risiken dar und beantworte Fragen, belehre sodann auf der Grundlage des Aufklärungsbogens und weise auf die dort angegebenen Risiken hin und zwar in ganzen Sätzen. Die Stichpunkte, die er dort handschriftlich eingetragen habe, trage er während des Gesprächsverlaufes ein. Wenn dort als Risiko „Blutung“ vermerkt sei, habe er darauf hingewiesen, dass bei dem Eingriff an einem venösen Blutgefäß gearbeitet werde und überall, wo venöse Blutgefäße liegen, sich auch arterielle befinden. Es bestehe daher grundsätzlich die Gefahr, dass diese verletzt werden und es zu Blutungen komme. Der Kläger hat eingeräumt, dass auch bei seinem vorherigen Aufenthalt in der …klinik regelmäßig Aufklärungsgespräche geführt worden seien. An das konkrete Vorgespräch vor diesem Eingriff könne er sich nicht mehr erinnern, es handele sich aber um seine Unterschrift. Auch der Senat hält es angesichts dessen für bewiesen, dass es vorliegend zu den von dem Zeugen geschilderten Gespräch gekommen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beweis hierfür nicht erst dann erbracht, wenn sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch erinnert (vgl. Senat, Beschluss vom 12.03.2018 – 4 U 1755/17 – juris; Urteil vom 21.08.2020 – 4 U 1349/18 – juris). Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärzte täglich durchführen, kann dies nicht erwartet werden (vgl. Senat a.a.O.). Das Gericht kann seine Überzeugungsbildung auch dann auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risiko- bzw. Eingriffsaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig ist, die entsprechende Aufklärung seiner zum fraglichen Zeitpunkt praktizierten „ständigen Übung“ entspricht und seine Angaben durch die ärztliche Dokumentation im Wesentlichen bestätigt wird (vgl. Senat, Urteil vom 12.05.2020 – 4 U 1388/19 – juris; Urteil vom 21.08.2020 – 4 U 1349/18 – juris). Dies ist hier der Fall.

Es war auch nicht erforderlich, vor der Anlage des Katheters darüber aufzuklären, dass die Platzierung am Schlüsselbein oder am Hals scheitern kann und dann der Katheter in der Leiste eingeführt wird. Es war nicht geboten, den Kläger über alle möglichen Zugangswege für die Anlage des Katheters aufzuklären, denn die Aufklärung muss nur „im Großen und Ganzen“ erfolgen. Es genügt, wenn dem Patienten ein allgemeines Bild von der Schwere der Richtung des Risikos dargelegt wird (vgl. Martis/Winkhart, in Arzthaftungsrecht, 5. Aufl., Rn. A 834). Die Risiken sind bei der Einführung des Katheters in der Leiste im Hinblick auf die Gefahr von Verletzungen benachbarter Gefäße und Blutungen nicht wesentlich andere als am Schlüsselbein oder am Hals.

Ohne Erfolg beanstandet der Kläger in diesem Zusammenhang, dass er nur über die Verwendung eines Cava-Katheters und nicht über die Verwendung des hier eingesetzten Shaldon-Katheters aufgeklärt worden sei. Beim Shaldon-Katheter handelt es sich um einen Dialysekatheter mit zwei Lumen, während der sogenannte Cava-Katheter ein zentraler Venenkatheter ist, der aber ebenfalls über zwei Lumen verfügt. Beide Katheter sind zur Anlage über die vena femoralis geeignet. Dass unterschiedliche Risiken bei der Verwendung eines Shaldon- im Verhältnis zu einem Cava-Katheter bestehen, ist nicht ersichtlich.

Ob der Kläger am Krankenbett noch einen Aufklärungsbogen unterschrieben hat, der sich nicht in den Behandlungsunterlagen befindet, kann offen bleiben, denn die mündliche Aufklärung vom 23.01.2013, auf die allein abzustellen ist (§ 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB) genügt – wie ausgeführt – den Anforderungen.

Unabhängig davon hat das Landgericht zu Recht eine hypothetische Einwilligung angenommen. Hat der Arzt substantiiert vorgetragen und dargelegt, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Eingriff in gleicher Weise hätte durchführen lassen, so muss er den ihm obliegenden Beweis erst dann führen, wenn der Patient plausible Gründe dafür darlegt, dass er sich in diesem Fall in einem „echten Entscheidungskonflikt“ befunden hätte (vgl. Senat, Beschluss vom 02.10.2019 – 4 U 1141/19 – juris). Dies ist dem Kläger nicht gelungen. Er hat vielmehr bei seiner Anhörung vor dem Landgericht angegeben, dass er bei vollständiger Aufklärung, im konkreten Fall aufgrund seines konkreten MS Schubs möglicherweise ebenfalls in die Behandlung zu diesem Zeitpunkt eingewilligt hätte.

2.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B… entsprach die Anlage des Zentralvenenkatheters (ZVK) auch ohne Ultraschallüberwachung dem Facharztstandard im Jahr 2013. Der Sachverständige hat hierzu vor dem Senat ausgeführt, dass die Verwendung von Ultraschall in den letzten Jahren zwar zunehmend Verbreitung gefunden habe, dies sei jedoch 2013 noch nicht der Fall gewesen, was unter anderem daran gelegen habe, dass es an einer flächendeckenden Verbreitung von Ultraschallgeräten gefehlt habe, die – auch in Universitätskliniken – nicht auf jeder Station verfügbar gewesen seien. Es bedürfe zudem zur Anwendung der Technik einer gewissen Erfahrung, die 2013 noch nicht überall vorhanden gewesen sei. Hinzu komme, dass ursprünglich beabsichtigt gewesen sei, den ZVK in der vena subclavia zu legen, wo aber die Sicht durch das Schlüsselbein eingeschränkt sei und ein Ultraschall keinen großen Vorteil biete. Die Anlage in der Leiste sei überdies einfach, weil die anatomischen Strukturen dort klar seien. Rückblickend wäre die Verwendung von Vorteil gewesen, aber aus ex ante Sicht sei die ultraschallgestützte Punktion 2013 kein Standardverfahren gewesen, zumal es auch bei Verwendung von Ultraschall zu Verletzungen der benachbarten Gefäße kommen könne. Der Sachverständige hat den beim Kläger vorliegenden Risikofaktor der Adipositas berücksichtigt, diesen jedoch nicht für maßgeblich gehalten, weil 2013 Konsens bestanden habe, erst ab einem BMI von 40 in jedem Fall eine ultraschallgestützte Punktion vorzunehmen, weil sich bei schwerer Adipositas die Anatomie verändere. Dies sei beim Kläger aber nicht der Fall gewesen. Aus den Unterlagen sei zu entnehmen, dass der Kläger damals bei einer Größe von 184 cm 119 kg gewogen habe. Dies entspreche einem BMI von 35.

Auch der Gutachter der Sächsischen Landesärztekammer Prof. Dr. R… hat bei der Anlage des ZVK keinen Fehler erkennen können. Er hat eingeschätzt, dass die sonografische Kontrolle sicherlich das Legen erleichtert hätte. Daraus eine Fehlleistung abzuleiten, sei aber nicht angebracht.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass der Sachverständige angegeben habe, zu einer sorgfältigen Dokumentation gehöre auch das Ergebnis der Lagekontrolle. Die fehlende Dokumentation der Lagekontrolle begründe die Vermutung, dass eine solche unterblieben sei, was zu Lasten der Beklagte gehe. Die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten beziehen sich aber allein auf die zentralvenöse Punktion am Oberkörper, bei der die Katheterlage entweder mittels intraarterieller EKG-Ableitung, Röntgenthorax oder in Ausnahmefällen echokardiografisch kontrolliert werden müsse, um sicherzustellen, dass die Spitze des zentralen Venenkatheters in der oberen Hohlvene vor Eintritt in den rechten Vorhof liege. Demgegenüber sei eine Lagekontrolle bei über die Vena femoralis eingelegten Venenkathetern kein medizinischer Standard. Im Übrigen sei ein Thoraxröntgen durchgeführt worden, um festzustellen, ob die frustranen Versuche zur Anlage des ZVK zu einem Pneumothorax geführt hätten. Dies sei aber nicht der Fall gewesen.

Dass es bei der Verwendung des Shaldon Katheters zu Problemen gekommen ist, deutet nicht auf einen Fehler hin. Nach den Ausführungen des Sachverständigen tritt relativ häufig das Problem auf, dass sich das blutentnehmende Ende des Katheterschenkels an die Gefäßwand ansaugt und das Plasmapheresegerät einen entsprechenden Alarm gibt, was auch bei grundsätzlich korrekt einliegenden Kathetern passieren könne. Der Sachverständige bezeichnete es auch nicht als behandlungsfehlerhaft, dass der Zugang über die Vene am Hals nicht zumindest versucht worden sei. Ebenso wenig sei es erforderlich gewesen, bei Anlage des Venenkatheters an der Leiste das Bein ruhig zu stellen. Allein der Umstand, dass es zu der Verletzung der Arteria femoralis gekommen sei, stelle noch keinen Behandlungsfehler dar. Insoweit habe es sich vielmehr um eine typische Komplikation gehandelt, die auch bei sorgfältigstem Vorgehen unter Verwendung von Ultraschall nicht immer zu verhindern sei.

Soweit die Sächsische Landesärztekammer demgegenüber in Schlichtungsverfahren angenommen hat, dass bei der Anlage des Katheters die arteria femoralis tangiert worden sei und ein vermeidbarer Verstoß gegen gebotene ärztliche Sorgfaltspflichten vorliege, ist dies nicht nachzuvollziehen und findet auch im Gutachten von Prof. Dr. R… keine Stütze. Eine Abweichung vom Facharztstandard hat dieser nicht festgestellt, sondern im Gegenteil eingeschätzt, dass die Verletzung der Arterie femoralis nicht als grober Behandlungsfehler einzustufen sei. Auf diese Verletzung seien das Hämatom, letztendlich auch das Aneurysma und eine Teilschädigung des Nervus femoralis zurückzuführen. Prof. Dr. R… hat insoweit lediglich die naturwissenschaftliche Kausalität zwischen Verletzung der Arterie und Folgeschäden bestätigt, was jedoch nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler zulässt. Für einen schuldhaften Sorgfaltsverstoß und eine Abweichung vom Facharztstandard bei der Behandlung ist aber auch dem Gutachten des Prof. Dr. R… nichts zu entnehmen.

3.

Die Entfernung des Katheters ist nach den Ausführungen des Sachverständigen ebenfalls lege artis erfolgt. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger, dass nur ein Arzt in Ausbildung mit der Entfernung betraut gewesen sei. Die Entfernung von Venenkathetern erfolgt nach den Angaben des Sachverständigen durch ärztliches oder geschultes pflegerisches Personal, in der Regel durch eine Person. Im stationären Bereich können weitere Hilfspersonen bei Bedarf zeitgerecht herbeigerufen werden. Dies ist hier geschehen. Auch Prof. Dr. R… hat das Ziehen des Femoralis Katheters als sachgerecht bezeichnet. Der Sachverständige Prof. Dr. B… hat schließlich die Versorgung der bei der Entfernung des Katheters aufgetretenen spritzenden, gegebenenfalls arteriellen Blutung als sach- und fachgerecht beurteilt.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt § 3 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzung des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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